Urlaub rechtssicher managen

Kein automatischer Verfall von Urlaubstagen

Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist eindeutig festgelegt, dass Urlaub im laufenden Kalenderjahr oder zumindest bis zum 31. März des Folgejahres zu gewähren und zu nehmen ist (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Folglich verfielen sämtliche Urlaubstage, die bis zum Jahresende bzw. bis zum Ende des sog. Übertragungszeitraums nicht gewährt und genommen wurden. Nach bisheriger Rechtsprechung galt dies selbst dann, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Zwar konnte dann unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatz verlangt werden, das änderte jedoch nichts daran, dass die Urlaubstage als solche verfallen waren und nicht mehr gewährt werden mussten. Ausnahmen von dieser gängigen Praxis galten nur für Langzeiterkrankte.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch entschieden, dass der Urlaub nur noch dann verfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen aufgeklärt und ihn zum Urlaubsantritt aufgefordert hat (BAG, Urteil vom 19. 2. 2019, 9 AZR 541/15). Mit seinem Urteil setzte das BAG die Vorgaben der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. November 2018 (C-684/16) um und änderte seine bisherige Rechtsprechung recht deutlich. Zwar wird anerkannt, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG eigentlich nur gehalten ist, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche der Arbeitnehmer festzulegen. Eine gesetzliche Verpflichtung, den Arbeitnehmern von sich aus Urlaub zu gewähren, besteht aber nicht.

Galt bisher, dass jeder Mitarbeiter selbst dafür verantwortlich ist, dass seine Urlaubstage nicht verfallen, geht die Rechtsprechung nun davon aus, dass die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) beim Arbeitgeber liege. Nach Ansicht der EuGH-Richter ist der Arbeitgeber sogar gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun.“

Mit anderen Worten: Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern eindeutig und rechtzeitig mitteilen, dass deren Urlaub am Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn die Mitarbeiter ihren Urlaub nicht nehmen.

Völlig offen ist jedoch, was „rechtzeitig informieren“ bedeutet, wie oft Arbeitgeber den jeweiligen Arbeitnehmer informieren müssen und ob sichergestellt sein muss, dass die Information auch tatsächlich beim Arbeitnehmer ankommt – das BAG hat sich mit diesen für die Praxis ganz erheblichen Fragen nicht befasst. Sinnvoll und streitvermeidend dürfte der Abschluss einer Betriebsvereinbarung sein, in der diese Punkte verbindlich unternehmensintern geregelt werden.

In jedem Fall besteht die Verpflichtung, alle Arbeitnehmer schriftlich und unmissverständlich aufzufordern, den verbleibenden Urlaub bis zum Ende des Jahres zu nehmen, und darauf hinzuweisen, dass der Urlaub anderenfalls innerhalb der Verfallfristen erlischt. Eine formularmäßige Verpflichtung im Arbeitsvertrag allein dürfte kaum ausreichend sein. Werden diese Verpflichtungen nicht eingehalten, verfallen die Urlaubstage nicht.

Der EuGH-Rechtsprechung lässt sich nicht entnehmen, dass Mitarbeiter auch gegen ihren Willen in eine Art Zwangs Zwangsurlaub geschickt werden können oder sogar müssen. Ungeklärt ist auch die Frage, ob der nicht genommene Urlaub zu irgendeinem Zeitpunkt verfällt oder verjährt, ähnlich wie dies z. B. bei Langzeiterkrankten nach 15 Monaten der Fall ist. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln bleiben Urlaubsansprüche jedoch zunächst für alle Jahre erhalten, in denen der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Urlaub nicht konkret angeboten hat (LAG Köln, Urteil vom 9. 4. 2019, 4 Sa 242/18).

Praxistipp

Die geänderte Rechtsprechung bringt für Arbeitgeber künftig organisatorischen Mehraufwand mit sich. Obwohl im Gesetzestext explizit dazu nichts steht, sind sie verpflichtet, alle Arbeitnehmer über ihren noch bestehenden konkreten Urlaubsanspruch zu informieren.